| 
	  
	  Kaspar Schnetzler 
	  
	  ERÖFFNUNG 
	  "ORIGINALGRAPHIK" 
	  
	  Atelier Alexander, 
	  Winterthur Wülflingen, 
	  28. Juni 2014 
	  
	     
	  
	  Wir sind zur Ausstellung "Originalgraphik von Hans Bach, Theo Hurter, 
	  Willi-Peter Hummel und Kaspar Toggenburger" eingeladen. 
	  
	   "Original" – ich komme darauf zurück. 
	  
	   "Graphik" – das Wort stammt aus dem Griechischen und meint "das 
	  Geritzte", geritzt in Stein, Ton, Metall, Wachs und Holz. 
	  
	   Das zürichdeutsche Wort "chrible" ist dem griechischen ähnlich. 
	  Wenn ein Kind "chribled" zeichnet es ungehemmt und kräftig drauflos, ohne 
	  sich an ein anderes Gesetz der Darstellung (wie es Eltern und Lehrerinnen 
	  gern möchten) zu halten als an die eigene Empfindung, dass heraus muss, 
	  was sich im Inneren bewegt. 
	  
	   Wir sehen Graphik vor uns. 
	  
	   Wo? 
	  
	   Die Einladungskarte aus dem Atelier Alexander hat mich frappiert. 
	  Die vier Köpfe in einer Reihe, umgeben von weissem Nichts sind ein 
	  eindrückliches Bild menschlicher Existenz. Ich bin versucht auf 
	  Zürichdeutsch "die vier Grinde" zu sagen. Die Kraft, die in diesem Bild 
	  sichtbar ist, und der Respekt, den der Dialekt in diesem Wort zum Ausdruck 
	  bringt, machen, dass ich der Versuchung erliege. Vier Charakterköpfe. Aber 
	  nicht nur: 
	  
	   "Originalgraphik" – zu sehen sind vier Originale, in deren 
	  Gesichter das Leben – ungehemmt und kräftig – seine Spur hinterlassen hat. 
	  Meisterwerke, Werke einer Gestalterin, die uns alle meistert. 
	  
	   Holzschnitt, Steindruck, im Säurebad geätzte Radierung, Druckstock, 
	  Druckstein, Hochdruck, digitaler Flachdruck, Tiefdruck – in der Graphik 
	  ist es wie im Leben: Es ist viel Druck und Ätzung, sind Schnitte, ist Hoch 
	  und Tief und Flaches auch im Spiel. 
	  
	   Wir spielen alle mit, wer es weiss, ist klug. 
	  
	   Anders als bei den Kindern bedeuten die handwerklichen Gesetze der 
	  graphischen Darstellung für die vier Künstler nicht Einschränkung, weil 
	  sie Meister ihres Handwerks sind. Das gibt ihnen die Freiheit, jetzt, im 
	  Zeitpunkt, in dem sie ans Werk gehen, ungehemmt und kräftig zum Ausdruck 
	  zu bringen, was an Bildern in ihr Inneres gelangt ist und als 
	  Lebenserfahrung die Jahre überdauert hat. 
	  
	   Was zum Beispiel? 
	  
	   Das Bild der Frau ist bei allen Vieren ausgeprägt (um diesen 
	  graphischen Fachausdruck zu verwenden). Das ist keine Besonderheit der 
	  vier Köpfe, das ist bei allen Künstlern und den meisten Männern aller 
	  Zeiten so. Ihre Besonderheit liegt darin, dass die Vier ihre 
	  Lebenserfahrung ins Bild umsetzen und dem Betrachter die Gelegenheit 
	  geben, seine eigene Erfahrung gespiegelt zu sehen. 
	  
	   Die Frauenbilder kommen offen ersichtlich, als Augenweide, 
	  ungehemmt und kräftig zum Ausdruck, als erotisches Ornament, das Bewegung 
	  auslöst, als Kontur, die Erinnerungen abruft, als Schimmer, von dem eine 
	  Ahnung ausgeht, die Träume weckt. 
	  
	   Alexander Breu ist die Idee zu dieser Ausstellung gekommen, als er 
	  an einer Vernissage die Köpfe der vier Künstler beisammen sah, vereint 
	  durch Kunst und Leben. Das konnte kein Zufall sein. Man erkennt nur, was 
	  man kennt. Hat ein Philosoph gesagt. 
	  
	   Ich weiss, wovon ich rede, und beuge auch mich der philosophischen 
	  Erkenntnis. 
	  
	   * |